2nd-Person-Gameplay, das bedeutet Spielen aus der Perspektive des Feindes. Und das soll funktionieren? Einige Spiele, wie Zelda, Battletoads und Siren, haben es bereits vorgemacht. Ein jüngeres Beispiel ist Suda51’s letzter Streich – Killer is Dead.
2nd-Person-Perspektive, was soll das denn sein? Für gewöhnlich, unterscheiden wir in Videospiele, zwischen der 1st-Person- oder der 3rd-Person-Perspektive. Sie beziehen sich darauf, in welchem Verhältnis der Spieler zu seiner Spielfigur steht. 1st-Person, oder auch Ego-Perspektive, bedeutet, dass der Spieler das Geschehen direkt aus den Augen der Hauptfigur betrachtet. Am häufigsten wird sie in Ego-Shootern genutzt, aber auch in Horrorspielen oder z.B. den Elder Scrolls Rollenspielen. Die Ego-Perspektive soll bezwecken, dass der Spieler selbst zu einem Teil der Spielewelt wird, quasi selbst zum Helden seiner Geschichte. Anders ist es in Büchern, wo die Geschichte zwar aus der ersten Person erzählt wird, dennoch, oder erst recht, einen festen Hauptcharakter hat, in dessen Gedankenwelt der Leser tiefer eintauchen soll. Solche Fälle gibt es natürlich auch in Videospielen recht häufig (Beispiel: Booker DeWitt in Bioshock Infinite).
Meine bevorzugte Perspektive, ist die 3rd-Person-Perspektive. Sie ermöglicht ein cinematisches Erlebnis, zeigt uns unsere Hauptfigur und ist fast immer vorteilhaft, wenn diese akrobatische Meisterleistungen vollbringen muss. Third-Person beschränkt sich natürlich nicht nur auf die beliebte Über-die-Schulter-Perspektive. Auch die isometrische Ansicht, Sidescroller, feste Kamera-Winkel und vieles mehr, zählen hier dazu. Wichtig ist nur, dass der Spieler die eigene Spielefigur sieht, ohne sie selbst zu verkörpern.
All diese Sachen beziehen sich allerdings nur auf die Kameraperspektive, die nicht immer mit dem Verhältnis zwischen Spieler und Spielfigur identisch sein muss. Viel wichtiger ist die Art, wie der Spieler auf das Spiel einwirkt und wie er vom Spiel angesprochen wird. Sehr verwirrend kann es zum Beispiel sein, in den älteren Resident Evil Teilen plötzlich gesiezt zu werden. Dann heißt es nicht “Jill hat ein unwohles Gefühl” sondern “Sie haben ein unwohles Gefühl”. Dass hier vermutlich die Übersetzung ihren Teil beigetragen hat, lassen wir jetzt mal außer Acht.
Aber wie reagieren Spieler nun eigentlich auf ihre Spielfiguren? Das hängt von verschiedenen Faktoren und manchmal auch nur von der Gewohnheit ab. Wie stark sind Charakterisierung und Story? Hat die Figur das gleiche Geschlecht, wie ich? Tut die Figur vielleicht Dinge, die ich nicht tun würde und gibt mir das Spiel möglicherweise sogar mehrere Spielfiguren (wie z.B. zuletzt in Grand Theft Auto V)?
Von diesen Faktoren hängt es ab, ob ein Spieler eher sagt “Oh man, jetzt habe ich den Sprung schon wieder nicht geschafft.” oder “Oh man, jetzt hat die blöde Lara den Sprung schon wieder nicht geschafft.”
Ein sehr spezieller Fall, ist die 2nd-Person-Ansicht. Die Spielfigur ist also nicht mehr “Ich” oder “Er/Sie” sondern auf einmal “DU”. Geht denn so etwas überhaupt? Nun ja, ob es vorteilhaft oder komfortabel ist, wage ich zu bezweifeln, aber machbar ist es auf jeden Fall. Bewiesen hat das zuletzt auch Killer is Dead von Gasshopper Manufacture. Wer denkt, bei Suda51 könne ihn nichts mehr überraschen, wird hier erneut vom Gegenteil überzeugt. Obwohl das Spiel üblicherweise in der dritten Person gespielt wird, gibt es einen Bosskampf, den der Spieler zeitweise aus der Sicht eines Gegners erlebt, der auch noch die Frechheit besitzt, auf die Spielfigur zu schießen. Also gilt es zu versuchen, in seinem Sichtradius zu bleiben und seinen Geschossen auszuweichen, die währenddessen aus Richtung der Kamera kommen. Ein interessantes Konzept, das allerdings nur dazu dient, dem Spieler das Leben schwer zu machen. Der Kampf an sich ist nämlich vergleichsweise einfach, hätten die Gegner nicht diese eigenartige Fähigkeit.
Killer is Dead ist jedoch nicht das erste Spiel, das mit solchen Sachen experimentiert. Man denke zurück, an Psycho Mantis in Metal Gear Solid. Kurz vor dem Kampf gegen diesen trickreichen Gegner, übernimmt er die Kontrolle über unsere Gefährtin Meryl. Schalten wir nun in die Ego-Perspektive, sehen wir das Geschehnis plötzlich nicht mehr aus Snakes Augen, sondern aus Sicht von Psycho Mantis, der in Meryls Körper steckt (nicht so wie ihr denkt, ihr Ferkel).
Ein weiteres Beispiel, sind die Siren-Spiele, in denen die Helden die Fähigkeit haben, durch die Augen der sogenannten Shibitos zu sehen, was nicht nur dabei hilft, sie besser zu lokalisieren, sondern nochmal eine Schippe Grusel drauflegt.
Einen “Mind-Blowing”-Moment hatte ich auch bei meinem Besuch im Computerspiele Museum in Berlin, vor zwei Jahren. Dort gab es einen Shooter, der allein auf diesem 2nd-Person-Gameplay basierte und denkbar schwer zu spielen war. Statt, wie gewohnt, mit der eigenen Waffe zu zielen, hüpft die Spielfigur weiter hinten im Raum umher, während wir das Gewehr eines Gegners vor der Nase haben. (Den Namen des Spiels habe ich leider vergessen. Falls ihr mal im Museum vorbei schaut, schreibt ihn doch bitte für mich auf.)
Ein weiteres Beispiel für interessante Kameraperspektiven bei 4:55
Ansichtssache, sagt man so schön und das gilt wohl auch für Videospiele. Obwohl ich Experimente in der 2nd Person Perspektive interessant finde und mich bei vielen Spielen auch mit der Ego-Perspektive zufrieden gebe, wird die dritte Person doch immer mein Favorit bleiben. Eine gute Kameraperspektive ist vermutlich jene, die am wenigsten auffällt und den wesentlichen Gameplay-Mechaniken nicht im Weg steht. Andererseits sollten noch viel mehr Spiele den Mut beweisen, die Perspektive in das Gameplay oder sogar in die Story zu integrieren. Ein kreativer Einsatz der Kamera, wie im Beispiel oben, verdient in meinen Augen eigentlich immer Pluspunkte. (Haha versteht ihr “in meinen Augen” …).
von Tony M