Life is Strange ist ein episodisches Adventure von Dontnod Entertainment und Square Enix, das den Spieler in den Alltag eines jungen Teenagers versetzt und dabei eine spannende Mystery-Geschichte erzählt. Die folgende Review enthält keine Spoiler.
Life is Strange ist das neue Spiel des französischen Entwicklers Dontnod Entertainment, der sich vor zwei Jahren mit Remember Me einen Namen gemacht haben, damals noch zusammen mit Capcom und Street Fighter Legende Yoshinoro Ono. Während Remember Me, trotz einiger Innovationen, wie dem eigenständigen Bauen von Kombos und den Hacking Sequenzen, in denen die Erinnerungen von Menschen verändert werden konnten, leider trotzdem nur als ein durchschnittliches Action-Spiel mit Versatzstücken anderer Spiele endete, geht Life is Strange ganz neue Wege und betritt die Pfade dessen, was wir auf dieser Seite gerne als “besondere Adventures” bezeichnen.
Denn Life is Strange hat nichts mehr von einem Actionspiel, ist aber eher mit Vorbildern wie den Quantic Dreams Spielen oder zuletzt den Telltale Adventures zu vergleichen. Es erscheint in Episoden, erzählt eine emotional packende Geschichte und konfrontiert den Spieler an einigen Stellen mit Entscheidungen, die sich auf spätere Ereignisse auswirken können.
Die Grafik ist dabei relativ minimalistisch gehalten. Charaktere und Umgebungen sind mit Pastellfarben gezeichnet und größere Flächen verzichten gerne mal auf grafische Details. Der Look bleibt nichtsdestotrotz verhältnismäßig (z.B. im Vergleich mit den Telltale Spielen) noch realistisch. Man hat das Gefühl, echten Menschen mit echten Emotionen zuzusehen.
Der gewählte Grafikstil schadet dem Spiel keineswegs. Die Umgebungen sind sehr detailliert gestaltet, an jeder Ecke gibt es Interaktionsmöglichkeiten und jede Situation ist vorteilhaft in Szene gesetzt. Kurzum: Das Spiel sieht super aus!
Die Geschichte erzählt von der jungen und schüchternen, im Herzen aber rebellischen Max, die an einer neuen Schule Fotografie studiert. Schon vor Release kamen Vergleiche mit Spielen wie Gone Home auf, das sich hauptsächlich mit den Problemen junger Frauen beschäftigt, aber auch mit der Mystery-Serie Twin Peaks, denn auch hier werden die Geschehnisse vom Verschwinden eines jungen, beliebten Mädchens begleitet, über das wir in Dialogen weitere Informationen sammeln können. Dass Twin Peaks, sowie weitere Fernsehserien einen Einfluss auf die Entwickler hatten, erkennt man auch, wenn man einen genauen Blick auf die
Nummernschilder der Autos wirft.
Neben all diesen Sachen, steht aber die Heldin selbst im Fokus der Geschichte. Max ist ein Mauerblümchen, wie es im Buche steht – sie hat kaum Freunde, wird von den meisten ignoriert oder missachtet und versagt oft dabei, zu anderen Kontakt aufzunehmen. Während Max’ Gedankenstimme uns oft von ihrer Innenwelt berichtet und, ganz Adventure-like Objekte und Begebenheiten auf witzige Art beschreibt, wirkt die Außenwelt oft wie die reinste Hölle. Sie ist voll von Bullys, “Schlampen” und den Gehänselten, die noch schlimmer dran sind, als Max. Das alles erinnert ganz bewusst an typische, amerikanische Teenie-/Highschool-Filme, schadet dem Spiel aber keineswegs. Die Tatsache, dass die meisten Schülern nicht nur mit eigenen Namen, eigenem Charakter und Dialogen ausgestattet sind, sondern Max bzw. der Spieler auch die Möglichkeit bekommt, sich mit vielen von ihnen gut zu stellen, war, zumindest für mich, sehr überraschend.
Hier unterscheidet sich Life is Strange auch grundlegend von anderen Spielen seines Genres, zumindest in den letzten Jahren. Es bietet viele Interaktionsmöglichkeiten, gibt dem Spieler fast immer die Kontrolle über die Figur und, statt nur der Geschichte zu folgen, kann man viel Zeit damit verbringen, die Welt um sich herum (= den Campus) kennenzulernen.
Dabei kommt uns Max’ neue Fähigkeit zugute, denn nach wenigen Minuten in der ersten Episode, entdecken wir, dass unsere Heldin die Zeit manipulieren kann. Hieraus ergibt sich nicht nur der Mystery-Anteil der Geschichte, sondern auch das Potential für jede Menge Spaß. In fast jeder Situation (nur ausgenommen sind reine Zwischensequenzen) hat der Spieler die Möglichkeit, ganz Prinz of Persia-mäßig, die Zeit zurückzudrehen. Max behält jedoch jederzeit ihre Erinnerung und behält außerdem ihren Standort bei. Angenommen also, man hätte nicht genug Zeit, von Punkt A zu Punkt B zu kommen, geht man einfach an Punkt B, dreht dort die Zeit zurück und schon ist das Problem gelöst. Doch die Entwickler haben sich noch einiges mehr einfallen lassen und an vielen Stellen, ist das Nutzen dieser Fähigkeiten optional und muss vom Spieler erst entdeckt werden.
Genau genommen, gibt es eigentlich keinen Dialog, bei dem das Zurückdrehen der Zeit nicht von Vorteil wäre. Fast immer verraten unsere Gesprächspartner uns Informationen, die wir in einem zweiten Versuch direkt ins Gespräch einbringen können. Das Spiel fügt dann einfach eine weitere Dialog-Option hinzu.
Die Möglichkeiten sind es, die Life is Strange so fantastisch und genial machen. Zum ersten Mal werden Zeitreisen bzw. -manipulation auf eine Art verwendet, wie viele sie vermutlich ausnutzen würden, angenommen es wäre tatsächlich möglich. Nach dem Prinzip “Der Zweck heiligt die Mittel” können wir unmoralische Dinge tun, Charaktere auf unangenehme Sachen ansprechen und uns insgesamt unangebracht verhalten, ohne dass es spätere Konsequenzen haben wird. Zwar bekommen wir, ähnlich den Telltale Spielen eine “Charakter XY wird sich das merken” Nachricht (naja, zumindest so ähnlích), doch mit Max’ Fähigkeiten, können wir das Ganze danach sofort wieder ungeschehen machen. So ist es beispielsweise möglich, an geheime Informationen zu kommen, dabei ertappt zu werden, das Ganze rückgängig zu machen und dennoch die Informationen im Kopf zu behalten. Genial!
Dass die Geschichte eine handvoll Wendungen bereithält und uns am Ende der Episode mit einem Cliffhanger zurücklässt, brauche ich wohl kaum zu erwähnen. Nur so viel sei gesagt – ich kann es kaum erwarten, die zweite Episode zu spielen.
Zuletzt noch etwas zum Thema Sound. Life is Strange ist wundervoll musikalisch untermalt und setzt meist eher auf ruhige Klänge. Die Sprecher passen sehr gut, wirken manchmal aber so, als würden sie eher nebeneinander, als miteinander reden. Auch sind die Charaktere leider nicht lippensynchron, was tatsächlich etwas stören kann. Das war’s dann aber auch schon mit den Negativpunkten.
Fazit: Life is Strange baut eine Brücke zwischen klassischen und modernen Adventures, indem es mehr Freiheiten und Denkfutter bietet, als seine Zeitgenossen, dabei aber immer im “Flow” bleibt und sich auf das erzählen einer starken Geschichte konzentriert. Die Zeitmechaniken, die an die Gedankenspielchen in Remember Me erinnern, bringen den meisten Spaß in das Spiel und alles in allem, hat Dontnod Entertainment hier ein durchweg überzeugendes Paket geschnürt. Angesichts der Tatsache, dass die ersten Folgen in episodischen Spielen oft zu den schwächsten gehören, kann ich mir kaum vorstellen, was uns hier noch alles erwarten wird. – 95%
von Tony M