Review: Hardcore (Hardcore Henry) – Action in Ego-Perspektive
21. März 2016Hardcore ist ein Actionfilm vom Wanted Regisseur Timur Bekmambetov, der als erster seiner Art komplett in der Ego-Perspektive gedreht wurde und mit seinen Shooter-Szenen, jeder Menge Gewalt und einem stummen Protagonisten an so manchen Ego-Shooter erinnert. Wir haben den Film bereits gesehen und erzählen euch, worauf ihr euch bei Hardcore gefasst machen könnt.
Held von Hardcore ist Henry. Daher auch der Originaltitel: Hardcore Henry. Henry ist stumm, ein Cyborg und wird von einem fiesen Bösewicht mit psychokinetischen Kräften, namens Akan (Danila Kozlovsky) gejagt und muss seine Geliebte Estelle (Haley Bennett) retten. Vorerst ist das alles, was ihr über die Handlung von Hardcore wissen müsst, denn viel mehr will euch der, exakt 90 minütige, Film in seiner ersten Stunde auch nicht verraten. Stattdessen bekommen wir einen rasanten Start mit Sci-Fi-Elementen, dann einen langen Sturz – sowohl sprichwörtlich, als auch im Niveau – und anschließend etwa 45-60 Minuten stumpfe Action in den Straßen und Tunneln Moskaus, in Strip-Clubs und an Häuserfassaden.
In dieser Zeit besticht Hardcore höchsten dank seines neuen Konzeptes – der Ego-Perspektive, kombiniert mit einem stummen Protagonisten – bleibt ansonsten aber banal, prollig und gewaltätig. Dem Helden und somit dem Zuschauer fehlt es komplett an Motivation, Szenen werden viel zu schnell und oft mit Zwischenschnitten unterbrochen und das anfängliche CGI ist auch nicht wirklich überzeugend. Statt einem guten oder wenigstens durchschnittlichen Drehbuch und inspirierten Actionszenen, bekommen wir viele Knarren, nackte Haut, schlechten Humor und natürlich Blut.
Zum Glück bekommen wir einen Bruch in der Mitte und Hardcore wendet sich tatsächlich noch zum besseren. Die Motivation des Helden, seine Freundin (an die er sich übrigens nicht erinnern kann und somit auch keine merkbaren Gefühle mit ihr verbindet) zu retten und den weißhaarigen Psycho-Schurken auszuschalten, werden dank effektiver Szenen endlich nachvollziehbar, die Actionszenen sind inspirierter und selbst der Humor funktioniert nun um einiges besser. Auch die Sci-Fi Elemente kommen endlich zurück und bringen starke Twists und etwas Stoff zum Nachdenken mit sich.
Selbst für die größte Schwäche der ersten Hälfte bekommen wir endlich ein Lösung: Henry bekommt mit Jimmy (Sharlto Copley) einen charismatischen, ebenbürtigen und coolen, sowie mysteriösen Sidekick an die Seite.
Zum Finale hin wird der Film noch brachialer, noch gewalttätiger, bekommt aber einen würdigen Abschluss.
Über seine gesamte Länge, in den guten, wie in den schlechten Zeiten, beeindruckt Hardcore vor allem durch seine Stunts, die dank der Ego-Perspektive noch echter und beeindruckender wirken. Klettert Henry an einer hohen Wand, kann die realistische Kamera geradezu Höhenangst verursachen. Abgeschwächt werden diese Stärken leider dennoch durch die vielen und oft recht radikalen Schnitte. Wenn eine Verfolgungsjagd gerade noch auf einer Brücke über Moskau stattfindet und nach einem Cut plötzlich in irgendeiner Lagerhalle, ist man als Zuschauer direkt viel weniger in den Moment investiert.
Fazit: Hardcore ist ein Film mit einer sehr schwachen ersten und einer starken zweiten Hälfte, die auf ein zufriedenstellendes Finale hinsteuert. Die Stunts sind oft sehr beeindruckend, die Effekte lassen manchmal leider zu wünschen übrig und einige wenige (z.B. eine Explosion kurz vor Ende) sehen einfach nur schlecht aus. Während der Film nicht gerade durch sein Drehbuch glänzt – und das sicher auch nicht seine Absicht ist – reicht das Konzept eines Ego-Shooter-Films aus, um den Zuschauer bei Laune zu halten und Videospiel-Fans werden die Ästhetik üblicher Ego-Shooter in Hardcore wiedererkennen. Statt vieler Schnitte und ständiger Ortswechsel, hätte der Film von längeren Szenen und weniger Settings profitiert. Was dem Film jedoch am meisten schadet, zumindest in der ersten Hälfte, ist ein starker Nebencharakter, denn genau das ist es, was auch stumme Protagonisten in Videospielen stets benötigen, um gut funktionieren zu können. Hardcore ist kein Film, den man unbedingt gesehen haben muss, doch er ist einzigartig genug, dass man ihm eine Chance geben sollte. – 60%
Mehr über Hardcore verraten wir euch demnächst in PlayPointless Podcast Episode 57.
Kommentare
Eine Sache die ich in der Review nicht erwähnt habe ist, dass ich mir während des Filmschauens die ganze Zeit gewünscht habe, es gäbe so etwas wie Bioshock als Ego-Perspektive-Film. Ich meine nicht unbedingt eine Unterwasserstadt, sondern das Gefühl für eine einheitliche Umgebung, die ihre eigene Geschichte erzählt. Hardcore hatte das in einigen wenigen Abschnitten und etwas mehr, wenn mit Sci-Fi Elementen gespielt wurde; und auch das Russland in dem jeder zweite ein Feind war, fühlte sich wie so eine konstruierte Welt an.
Natürlich gibt es ähnliche Sachen in anderen Filmen, die nicht aus der Ego-Perspektive erzählt werden.